Thorongil sah zu seinem Vetter Glinduhl herüber und schob sich en Helm etwas in den Nacken um besser sehen zu können.
"Und was meinst Du Vetter, sind wir bereit oder fehlt noch etwas?"
Der angesprochene Zwerg atmete lange aus und betrachtete die Seil Konstruktion, welche die beiden in der letzen halben Stunde über den tobenden Fluss vor ihnen gespannt hatten. Die Idee, welche der Seilkonstruktion zugrunde lag, war dem einer Abraumhängelore nachempfunden und sollte beide Zwerge heil und vor allem trockenen Fusses über das Wasser bringen.
Doch diese zögerten ob dieser Herausforderung, die sie über das garstige Nass führen sollte. Sie hatten in den vergangenen zwei Jahren so manches Hindernis überwunden und so manche Gefahr gemeistert, während sie sich tiefer und tiefer in die Wurzeln des Berges gegraben hatten. Aber ein waschechter Fluss war völliges Neuland.
Glinduhl nickte Thorondil zu und packte beherzt das Halteseil am Flaschenzug. "Möge Korameth uns beistehen!" murmelte er in seinen Bart, holte tief Luft und stieß sich mit den Füßen von der Uferklippe des Flusses ab.
Es gibt Gelehrte, vornehmlich elfische, die der zwergischen Rasse die Fähigkeit zu Springen völlig aberkennen. Andere, vornehmlich Zwerge, wiederum führen die mangelnde Begabung in dieser Disziplin auf den hohen Eisenanteil in einem zwergischen Körper zurück. Allen Theorien ist jedoch gemein, dass sie zu dem Ergebnis kommen, dass Zwerge völlig unbegabt drin sind zu Springen. Der gewaltige Satz den Glinduhl nun vollbrachte kann insofern nur auf die enorme Anspannung angesichts des fast sicheren Todes einer Flussüberquerung zuzuschreiben sein und wäre von jedem Gelehrten sofort in ein Lehrbuch aufgenommen worden.
Glinduhl landete mit einem Ächzen in der provisorischen "Lore" aus zwei aneinander geknüpften Rucksäcken und hielt sich verkrampft an dem Halteseil fest. "Nun zieh schon Du fauler Hund oder willst Du dass sich der Schlund des Styphon auftut und mich verschlingt?!!! Bei den Göttern nun zieh endlich Thorondil!"
Thorondil ergriff beherzt, das Zugseil und stemmte die Füße gegen einen der Felsen am Ufer. Mit einem verschmitzten Lächeln spannte er seine Muskeln an und zog. Langsam setzte sich die Rucksackkonstruktion schwankend über dem Fluss in Bewegung.
Sie hatten sich den Platz auserkoren, weil sie von hier aus einige Tunnel und Spalten erkunden wollten, um zu erfahren, welcher der Wege wohl am geeignetsten für den weiteren Abstieg sei.
Thorongil wollte es zuerst mit den Spalten versuchen, wohingegen sich Glinduhl mehr von den Lavatunneln versprach. „Diese würden schließlich direkt aus dem Herz des Berges kommen und somit unweigerlich weit in die Tiefe führen."
Thorongil wandte hiergegen allerdings ein: "Bedenke werter Vetter, wenn wir den Adern folgen, führen Sie uns auch unweigerlich zur Quelle ihrer Entstehung und ich bin meinerseits nicht scharf darauf, nach Tagen der Quälerei in heißen Tunneln an einem Lavasee kehrt machen zu müssen!"
"Folgen wir besser der ältesten Spalte. Sie wird uns aller Wahrscheinlichkeit nach zurück in die Kindertage des Gesteins und zu den Geheimnissen unter dem Berg führen, die wir versuchen zu finden."
Diesem Argument konnte sich Glinduhl nicht verschließen.
"Nun da sprichst Du wohl die Wahrheit, mein bester." Stimmte er Thoringil etwas grummelig zu. Es gefiel ihm nicht, das sein Vetter in der Wegfindungsfrage öfter als er selbst Recht behielt. Allerdings wusste er nur zu gut, dass das Beharren auf seiner Meinung hier unten eine Eitelkeit darstellte, die sie beide mit dem Leben bezahlen konnten.
"Also" sagte er, " dann brechen wir morgen auf und versuchen es mit der rechten Spalte. Sie riecht wie ein Oger im Schritt und die Luft schmeckt nach versteinertem Trollmist!"
"So machen wir es." pflichtete Ihm sein Vetter bei und reichte ihm zur bekräftigung der Entscheidung seinen Schlauch aus Basiliskenleder mit dem guten selbstgebrannten Zwergendonner.
[to be continued]
