Dienstag, 6. September 2011

Die Träume der Toten


Fjalgard Ormurson erwachte schweißgebadet auf dem Fußboden des Zimmers, die Hände in das Fell seiner Decke vergraben rang er nach Luft. Wie betäubt versuchte er (zuerst) zwischen Traum und Wirklichkeit zu unterscheiden. Schlaftrunken richtete er sich dabei auf und machte sich auf den Weg seinem allmorgendlichen körperlichen Bedürfnis draußen freien Lauf zu lassen. Seine Beine gehorchten ihm noch nicht so richtig und so schlurfte er, immer noch halb in den Träumen der Nacht versponnen, durch den kleinen Flur des Blockhauses, Richtung Haustür. Der schwere Holzriegel war klamm und klemmte ob des Frostes ein wenig. Plötzlich erschrak er und fuhr herum. Hinter ihm kauerte ein Scheusal der endlosen schwarzen Tiefen. Sein durch mehrfache Zahnreihen bewehrtes Maul fasste seinen ganzen Kopf ein und wurde von grässlich anmutenden Tentakeln gesäumt, hinter denen sich spinnengleich, ringförmig acht Augenpaare befanden. Er ließ den Türriegel los und sackte mit den Rücken zur Tür zusammen, als er den vermeintlichen Angreifer erkannte. Der Fellmantel seines Herrn Vaters mit dem Kopf eines Bären als Kaputze hing schneenass von einem Harken an der Wand des Flures. War das wieder ein Traum oder immer noch einer? Er fürchtete, sich in einer weiteren Traumwelt zu befinden und versuchte sich deshalb an der Realität festzuhalten, um zu überprüfen ob noch schlief. Der Kniff in den Oberschenkel tat höllisch weh und der Holzboden des Hauses war bitter kalt. Er war wach! Lange konnte es nicht her sein, dass Ormur Fenhirson, sein Vater,  nach Hause gekommen war - er konnte die Kälte, die von dem Mantel ausging, noch spüren und betrachtete ein kleine Weile die Schneepfütze auf dem Boden unter dem Mantel. Seine Blase rief ihn abermals in die Realität zurück. Eilig nestelte er den Riegel zur Seite und stemmte die Tür Auf. Ein eisiger Nordwind empfing ihn und er war gezwungen sich den Mantel des Vaters  über die Schultern zu werfen. Der Weg zur Latrine war kurz, dennoch wischte der eisige Nordwind die letzten Traumschleier davon und ließ ihn beruhigt durchatmen. Als er sein Wasser abschlug registrierte er besorgt, dass der Schnee unter ihm blutig war....

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